Oranienplatz-Flüchtlinge: Bereits rund 20 Anträge auf Eilrechtsschutz beim Sozialgericht Berlin

(PP-Justiz) Nachdem das Landesamt für Gesundheit und Soziales gestern durch Aushang einer Namensliste im Wohnheim Gürtelstraße 39 in Berlin-Friedrichshain einen Teil der dort untergebrachten Oranienplatz-Flüchtlinge aufgefordert hatte, das Heim bis heute Morgen, 8 Uhr, zu verlassen, haben inzwischen (Stand 15 Uhr) 18 der betroffenen Flüchtlinge beim Sozialgericht Berlin Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. In einem umgehend anberaumten Gerichtstermin hat ein Teil von ihnen heute Vormittag den Antrag bereits wieder zurückgenommen.

Erste Anträge, gerichtet gegen das Land Berlin (vertreten durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales, zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber) erreichten das Sozialgericht Berlin gestern gegen 22 Uhr per Fax. Weitere Anträge stellte eine ca. 10köpfige Gruppe heute Morgen persönlich in der Rechtsantragstelle des Gerichts in der Invalidenstraße. Die Antragsteller tragen vor, dass sie verpflichtet worden seien, ihr Wohnheim zu verlassen und in die Landkreise zurückzukehren, denen sie ursprünglich im Asylbewerbungsverfahren zugewiesen worden waren. Sie begehren stattdessen die Fortzahlung von Leistungen für Lebensunterhalt und Unterkunft durch das Land Berlin und berufen sich zur Begründung auf das mit dem Senat von Berlin ausgehandelte „Einigungspapier Oranienplatz“

Noch heute Vormittag hat die 47. Kammer des Sozialgerichts Berlin daraufhin in einigen Fällen einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Sach- und Rechtslage mit der Rechtsanwältin einiger Antragsteller besprochen worden ist. Für die Behörde ist – wohl vor dem Hintergrund der kurzfristigen Terminsanberaumung – kein Vertreter erschienen. Im Ergebnis hat die Rechtsanwältin die Anträge in mehreren Fällen zurückgenommen. Die übrigen Fälle sind noch bei Gericht anhängig und werden derzeit von den zuständigen Kammern unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht geprüft. Wann hier Entscheidungen ergehen werden, ist noch nicht absehbar.

Die 47. Kammer des Sozialgerichts wies in dem heutigen Termin darauf hin, dass zumindest in den Fällen, in denen die Antragsteller mit ihren Asylverfahren eigentlich anderen Landkreisen zugewiesen worden seien, ein Anspruch gegen das Land Berlin wohl nicht gegeben sein dürfte. Dem „Einigungspapier Oranienplatz“ sei ein Anspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gegen das Land Berlin nicht zu entnehmen. Eine schriftliche Zusicherung des Landes Berlin zur Leistungserbringung liege nicht vor. Die Ansicht, wonach sich für das Land Berlin aufgrund der faktischen Leistungserbringung der Vergangenheit eine Pflicht zur Fortzahlung der Leistungen ergebe, teile das Gericht nicht. Vor diesem Hintergrund kämen nach Einschätzung des Gerichts augenblicklich gegen das Land Berlin nur Ansprüche auf unaufschiebbare Leistungen in Betracht, zum Beispiel auf eine Fahrkarte in den Landkreis, der für die Leistungserbringung eigentlich zuständig ist. Im übrigen hätten die Antragsteller ihre Anträge auch nicht in dem für das Gerichtsverfahren erforderlichen Maße glaubhaft gemacht. Nur bei konkreten Angaben zur jeweiligen Lebenssituation und Einreichung entsprechender Unterlagen sei die gebotene Einzelfallprüfung überhaupt möglich.

Zur Lage am Sozialgericht:

Durchschnittlich erreichen das Sozialgericht Berlin monatlich 170 Verfahren aus dem Bereich „Angelegenheiten des Sozialrechts und Asylbewerberleistungsgesetzes“. Das Rechtsgebiet stellt damit eines der kleineren Sparten des Gerichts dar. Wesentlich stärker belasten das Gericht Verfahren der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV). Während die Zahlen hier in den letzten Jahren leicht zurückgegangen sind, sind die Eingänge im Juli im Vergleich zum Vormonat Juni wieder um mehr als 10 % gestiegen (2240 Hartz IV Verfahren im Juli 2014). Eine Ursache für diesen überraschenden Anstieg ist noch nicht ersichtlich.

Im Einzelnen: 2013 war das vierte Jahr in Folge, in dem das SG Berlin mehr als 40.000 Neueingänge zu bewältigen hatte. Zurzeit erreichen die Klagen das Sozialgericht Berlin im 14-Minuten-Takt: Monatlich kommen rund 3.200 neue hinzu. 4 % davon betreffen (wie der oben geschilderte Fall) die Sozialhilfe. Das Hauptproblem heißt weiterhin Hartz IV (ca. 60 % aller Fälle): Anfang Mai ging allein am SG Berlin das 200.000. Verfahren im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein. Immer noch klagt alle 22 Minuten ein Berliner gegen sein Jobcenter. Jeden Monat treffen rund 2000 neue SGB II-Verfahren ein. Rund ¼ davon sind Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, also Eilverfahren. Erhebliche Sorgen bereitet das Anwachsen des Aktenberges: Es gibt immer mehr unerledigte Verfahren, und sie werden immer älter. Rund 42.500 Fälle (aus allen Rechtsgebieten) warten auf ihre Bearbeitung – das Jahrespensum aller 129 Richterinnen und Richter.

Quelle: berlin.de