Mehr Transparenz, mehr parlamentarische Kontrolle: Landesregierung bringt neues Verfassungsschutzgesetz in den Landtag ein

(PP-Justiz) In ihrer Sitzung hat die Landesregierung den Weg für einen Neustart des Niedersächsischen Verfassungsschutzes freigemacht. Ziele des entsprechenden Gesetzentwurfs sind mehr Transparenz und eine neue Struktur der Behörde, bessere parlamentarische Kontrolle, präzisere Speicherungs- und Übermittlungsvorschriften sowie inhaltliche Änderungen. Innenminister Boris Pistorius sagte, Niedersachsen brauche einen  leistungsfähigen und sensiblen Verfassungsschutz. Der Gesetzentwurf sorge daher für die richtige Balance von Freiheit und Sicherheit und solle das Vertrauen der Bürgerinnen und  Bürger in den Verfassungsschutz stärken.

Im Koalitionsvertrag vom Januar 2013 war die Reform des Verfassungsschutzes und damit auch ein neues Verfassungsschutzgesetz vereinbart worden. Zudem spielte die erforderliche  gründliche Aufarbeitung der rechtsterroristischen Mordserie des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für ein neues Gesetz. Das Gesetz wird jetzt in den Landtag eingebracht.

Vor allem die Handlungsempfehlungen der vom Innenminister im September 2013 eingesetzten Expertengruppe zur Reform des Niedersächsischen Verfassungsschutzes waren eine wichtige Grundlage bei der Arbeit an dem Gesetz. Als Konsequenz daraus hatte Pistorius „mehr Transparenz und Kontrolle einerseits und Konzentration auf die Kernaufgaben andererseits“ angekündigt.

Zu den Schwerpunkten des Gesetzentwurfs gehören folgende Regelungen:

1.                  Übersichtlichere Struktur und bessere Transparenz
Die Regelungen zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erhalten eine neue, übersichtlichere Struktur. Neben der grundlegenden Bestimmung des § 6, in dem die neu sortierten nachrichtendienstlichen Mittel abschließend aufgezählt werden, enthält ein neuer § 6a die Voraussetzungen für den Einsatz der Mittel. Die nachfolgenden §§ 6b bis 6e enthalten zusätzliche Voraussetzungen, Anordnungskompetenzen und weitere Verfahrensregelungen als flankierende Maßnahmen bei besonderen Grundrechtseingriffen. Gerade im sensiblen Bereich der Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel tragen diese Änderungen und die übersichtliche Struktur der Vorschriften auch zu mehr Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern bei.

2.                  Neue Regelungen zur Bestimmung als Beobachtungsobjekt
Eine neue und in dieser Form bundesweit einmalige Regelung wird mit dem Paragrafen „Beobachtungsobjekte“ in das Gesetz eingeführt. Erstmals werden damit in einem Landesverfassungsschutzgesetz die Entscheidungsabläufe bis zu dem Entschluss, dass ein Personenzusammenschluss planmäßig und systematisch von der Verfassungsschutzbehörde beobachtet wird, transparent gemacht. Diese Bestimmung wird auf vier Jahre mit der Möglichkeit der Verlängerung befristet und an die Zustimmung des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes gebunden.

3.                  Umfangreiche Regelungen zum Einsatz von Vertrauenspersonen
Neu sind ebenfalls umfangreiche Vorgaben zum Einsatz von Vertrauenspersonen. Es werden dabei sowohl Regelungen zur Auswahl von Vertrauenspersonen getroffen als auch die Grenzen ihres Einsatzes und die Zusammenarbeit mit ihnen klar definiert. Ein dauerhafter Einsatz von Vertrauenspersonen ist zukünftig nur bei Beobachtungsobjekten von erheblicher Bedeutung möglich. Zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle muss für diese Entscheidung eine Zustimmung des parlamentarischen Kontrollgremiums eingeholt werden.

4.                  Streichung der Wohnraumüberwachung
Die Wohnraumüberwachung wird im Hinblick auf die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für Eingriffe in das Grundrecht auf Unver¬letzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 GG) sowie die wenig praktische Relevanz in der Vergangenheit als nachrichtendienstliches Mittel gestrichen.

5.                  Kontroll- und Dokumentationspflichten
Zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle wird es dem Ausschuss ermöglicht, Sachverständige als zusätzliches Kontrollinstrument zu beauftragen.

Durch umfangreiche Dokumentationspflichten gerade im Bereich der nachrichtendienstlichen Mittel und der Bestimmung von Beobachtungsobjekten wird die interne Kontrolle erheblich gestärkt und die externe Kontrolle des Verfassungsschutzes erleichtert.

6.                  Anpassung und Präzisierung der Speicher- und Übermittlungsvorschriften
Die Möglichkeit, Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres zu speichern, wird gestrichen und die Vorschrift insgesamt konkreter und präziser formuliert. In den Vorschriften zur Übermittlung von personenbezogenen Daten an die Sicherheitsbehörden wird das in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Antiterrordateigesetz (1 BvR 1215/07) formulierte informationelle Trennungsprinzip gesetzgeberisch umgesetzt.
 
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