Gutachten bestätigt: Nationalpark Senne ist möglich / Laut einem aktualisierten Gutachten erfüllen die Bundesflächen die Nationalpark-Kriterien des Bundesnatur-Schutzgesetzes – Schutz des wertvollen Naturerbes

(PP-Justiz) Ein aktualisiertes Gutachten bestätigt auf Grundlage von neuesten Kartierungen, dass die Bundesflächen im Truppenübungsplatz Senne die Voraussetzungen zur Ausweisung eines zweiten Nationalparks in Nordrhein-Westfalen erfüllen. Das hat NRW-Umweltminister Johannes Remmel heute bekannt gegeben. “Die Strategien zum Schutz der biologischen Vielfalt auf Bundes- und auf Landesebene sehen vor, den Anteil der Wälder mit natürlicher Entwicklung deutlich zu erhöhen. Das aktualisierte Gutachten bestätigt, dass der Nationalpark Senne hierzu einen wertvollen Beitrag leisten kann. Gleichzeitig würden in dem Nationalpark die naturschutzfachlich wertvollen Offenlandlebensräume, wie die charakteristischen Heideflächen, erhalten werden”, sagte Remmel. “Das Naturerbe in Ostwestfalen-Lippe ist ein Hotspot der biologischen Vielfalt von europäischer Bedeutung. Diesen Schatz vor unserer Haustür müssen wir für künftige Generationen bewahren und schützen. Ein Nationalpark Senne wäre daher die Krönung.”

Minister Remmel sowie Vertreterinnen und Vertreter des NRW-Umweltministeriums und des Landesumweltamtes (LANUV NRW) werden heute die Ergebnisse des Gutachtens in der Region vorstellen. Erarbeitet wurde das neue Gutachten vom Landesumweltamt. Im Vergleich zur 2011 vorgelegten Planung berücksichtigt es ausschließlich bundeseigene Flächen. Bei der Erarbeitung hat das LANUV aktuelle und flächendeckende Daten zur Naturausstattung genutzt, die die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur Verfügung gestellt hat.

Wälder, Still- und Fließgewässer, Heiden, Trockenrasen, magere Wiesen und Moore prägen das Landschaftsbild des rund 10.900 Hektar großen Senne-Areals. Mehr als 1.000 gefährdete Arten wurden in dem Gebiet bereits nachgewiesen. Aufgrund ihrer Größe und Naturausstattung ist die Senne in Nordrhein-Westfalen das bedeutendste Schutzgebiet der europäischen FFH-Kategorie (Fauna-Flora-Habitat). Laut Gutachten erfüllt das Gebiet alle Kriterien zur Ausweisung von Nationalparken gemäß Bundesnaturschutzgesetz. Der Erhalt der Heideflächen und der sonstigen wertbestimmenden Offenlandlebensräume würde – in Verbindung mit Wäldern, die sich auf mehr als der Hälfte der Fläche ohne menschliche Nutzung natürlich entwickeln sollen – laut Gutachten einen in seiner Vielfalt einzigartigen Nationalpark schaffen.

Als nährstoffärmstes Gebiet in Nordrhein-Westfalen eignet sich die Senne besonders gut zur Entwicklung und zum Schutz von Birken- und Eichenwäldern des mitteleuropäischen Flachlandes auf nährstoffarmen Sandböden. Ein Nationalpark Senne hätte damit auch Bedeutung für den internationalen Artenschutz.

Aktuell wird der Truppenübungsplatz Senne militärisch genutzt, vor allem von britischen Streitkräften. Diese haben jedoch spätestens bis 2018 angekündigt, aus Deutschland abzuziehen. “Das aktuelle Gutachten bestätigt, dass die Senne die Anforderungen an einen Nationalpark vollumfänglich erfüllt. Neben der großen Bedeutung für die Bewahrung unseres Naturerbes bieten Nationalparke auch große Chancen für Naturerleben, Erholung und nachhaltigen Tourismus”, sagte Remmel.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat die Absicht, einen zweiten Nationalpark in NRW auszuweisen. “Aber auch bei der aktuellen militärischen Nutzung gibt es vielfältige Aktivitäten, um in Teilen des Truppenübungsplatzes schon heute nationalparkgleiche Entwicklungen zu ermöglichen. Auf dieser guten Arbeit, auch der britischen Streitkräfte, wollen wir aufbauen. Hierzu ist es absolut sinnvoll, auch die gute Kooperation mit allen Dienststellen des Eigentümers, also des Bundes, zu pflegen und auszubauen”, ergänzte Remmel.

Verlust der biologischen Vielfalt bedroht das wilde NRW

In Nordrhein-Westfalen leben über 43.000 verschiedene Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Dieser Artenreichtum ist die Folge des Nebeneinanders zweier großer, sehr verschiedener Naturräume: Dem atlantisch geprägten Tiefland und dem kontinental geprägten Bergland. Jede dieser Regionen bietet eine historisch gewachsene Vielfalt von Lebensräumen (Biotopen) mit ihren typischen Tieren und Pflanzen, vom kleinsten Insekt über unseren “Urwald-Baum”, die Rotbuche, und den Wanderfalken als weltweit schnellstem Lebewesen bis hin zum größten Wildtier in NRW, dem europäischen Wisent. Ein Schatz direkt vor unserer Tür. Aber auch ein Schatz, der bedroht ist und den es zu bewahren gilt.

Weltweit ist die biologische Vielfalt massiv bedroht. Seit Jahrzehnten ist ein dramatischer Rückgang der Arten zu beobachten. So liegt die gegenwärtige Verlustrate in einigen Regionen der Welt etwa 100 bis 1.000 Mal höher als die natürliche Aussterberate. Auch in NRW geht der Verlust an biologischer Vielfalt weiter. Unsere Landschaften und Lebensräume haben sich durch die Eingriffe des Menschen stark verändert. Dies zeigt zum Beispiel ein Blick auf die Wälder in Deutschland: Von Natur aus wären rund zwei Drittel der Fläche Deutschlands von unserem Ur-Baum, der Rotbuche, bedeckt. Heute sind es real aber nur noch knapp sechs Prozent der Fläche.

Unser Naturerbe in NRW zu erhalten, ist eine Herkulesaufgabe, denn auch in NRW konnte bisher das Artensterben nicht aufgehalten werden: Etwa 45 Prozent der untersuchten Tier- und Pflanzenarten sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Nach der aktuellen “Roten Liste NRW” sind dabei Schmetterlinge (rund 55 Prozent), Moose (60 Prozent), Kriechtiere (etwa 71 Prozent) sowie Vögel und Wildbienen/Wespen (jeweils rund 52 Prozent betroffen) überdurchschnittlich gefährdet.

Die Ursachen des Artensterbens sind häufig menschengemacht: Hierzu gehören unter anderem die zu intensive Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, die Zerstörung und Zerschneidung naturnaher Lebensräume und der fortschreitende Flächenfraß. So gehen täglich in NRW etwa 10 Hektar an wertvollen Lebensräumen für eine Vielzahl von Tier-, Pilz- und Pflanzenarten verloren.

Das NRW-Umweltministerium will dem fortschreitenden Verlust der biologischen Vielfalt mit einer neuen Biodiversitätsstrategie und einem neuen Landesnaturschutzgesetz entgegenwirken. Beide Vorhaben sollen zeitnah umgesetzt werden.

Quelle: umwelt.nrw.de