(PP-Justiz) Schulsenator Ties Rabe hat die aktuellen Zahlen über Gewaltvorfälle an Schulen zum Anlass genommen, eine Expertengruppe aus Polizei und Schulbehörde einzusetzen. Die Fachleute sollen die Gewaltmeldungen der Schulen analysieren und Vorschläge für weitergehende Maßnahmen entwickeln. Seit 2008 werden Gewaltvorfällen an Schulen von den Lehrkräften der Schulbehörde gemeldet. Die Zahl der Meldungen steigt seitdem jedes Jahr. Dabei ist unklar, ob die Zahl der Gewalttaten steigt oder die Schulen die üblichen Gewaltvorfälle nur häufiger melden, statt sie wie früher ohne Meldung zu regeln. Zudem gibt es immer wieder erhebliche Unsicherheiten und Abgrenzungsprobleme bei der Einstufung von Gewalttaten.
Im Schuljahr 2013/2014 wurden von Hamburgs Schulen 317 schwere und 1.591 leichtere Gewaltvorfälle gemeldet, die sich wie folgt auf die Bezirke verteilen:
• Mitte (51.698 Schüler/innen): Meldungen über 74 schwere und 362 leichte Gewaltvorfälle
• Altona (32.358 Schüler/innen): Meldungen über 60 schwere und 233 leichte Gewaltvorfälle
• Eimsbüttel (30.818 Schüler/innen): Meldungen über 30 schwere und 75 leichte Gewaltvorfälle
• Nord (35.714 Schüler/innen): Meldungen über 46 schwere und 193 leichte Gewaltvorfälle
• Wandsbek (51.137 Schüler/innen): Meldungen über 58 schwere und 389 leichte Gewaltvorfälle
• Bergedorf (20.281 Schüler/innen): Meldungen über 34 schwere und 158 leichte Gewaltvorfälle
• Harburg (19.859 Schüler/innen): Meldungen über 15 schwere und 181 leichte Gewaltvorfälle
Auf 100 Schülerinnen und Schüler wurden somit pro Schuljahr 0,1 schwere und 0,6 leichte Gewalttaten gemeldet. Bei einer großen weiterführenden Schule sind das im Jahresdurchschnitt eine schwere und sechs leichte Gewalttaten. Am häufigsten werden Gewalttaten von Jungen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren gemeldet. Der Anteil der Schulen, die Gewaltmeldungen schicken, hat sich seit 2008 von 32% auf 70% gesteigert. Ties Rabe: „Die Schulen haben in den letzten Jahren eine Kultur des Hinschauens entwickelt, sie reagieren sensibler und konsequent auf Gewaltvorfälle und nehmen die mit einer Meldung verbundenen Unterstützungsleistungen gern an. Das ist gut. Die steigenden Zahlen werfen aber auch Fragen auf. Diese Fragen nehmen wir sehr ernst.“
So fällt auf, dass von Schule zu Schule und von Lehrkraft zu Lehrkraft sehr unterschiedliche Maßstäbe für Gewaltvorfälle angelegt werden. So bestätigte die Polizei bei einer Stichprobe nur zwei Drittel der von den Schulen gemeldeten gefährlichen Körperverletzungen. Die unklaren Maßstäbe zeigen sich auch in regionalen Unterschieden. Trotz ähnlicher Schülerzahl und Sozialstruktur melden die Schulen in Eimsbüttel beispielsweise nur halb so viele Vorfälle wie die Schulen im Bezirk Altona. Insbesondere bei jüngeren Schülerinnen und Schülern ist es schwierig, altersgemäße Rangeleien von Fällen einfacher Körperverletzung abzugrenzen. Darüber hinaus ist aufzuklären, warum 30 Prozent der Hamburger Schulen nach wie vor überhaupt keine Gewaltvorfälle melden.
Die in mehreren deutschen Städten, darunter auch Hamburg, durchgeführten Dunkel-feldstudien sowie die polizeiliche Kriminalitätsstatistik zeigen, dass die Gewalt unter Jugendlichen, auch in der Schule, zurückgeht. Veröffentlichungen wie das Jugendlagebild der Polizei bzw. die empirischen Studien von Prof. Dr. Pfeiffer des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KfN) oder Prof. Dr. Wetzels (Universität Hamburg) belegen regelmäßig das Absinken der Gewalthandlungen unter Jugendlichen.
Schulsenator Ties Rabe: „Der Anstieg der Zahlen kann auf eine Zunahme von Gewalt in Schulen hinweisen. Der Anstieg kann aber auch seine Ursache im genaueren Hinschauen der Schulen oder in unterschiedlichen Maßstäben haben. Eine Expertengruppe soll deshalb das schwierige Thema genauer untersuchen und Lösungsvorschläge erarbeiten. Wir müssen und wir wollen bei diesem wichtigen Thema genau hinsehen und die richtigen Maßnahmen einleiten.“
Im Umgang mit Konflikten, Gewaltvorfällen, Straftaten, aber auch seelischen Krisen von Schülerinnen und Schülern werden Hamburgs Schulen von der Beratungsstelle Gewaltprävention der Schulbehörde unterstützt. Das 16-köpfige Team unter der Leitung von Dr. Christian Böhm berät Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler im Umgang mit Krisen und Konflikten sowie bei der Einleitung pädagogischer sowie juristischer und polizeilicher Maßnahmen. Zusätzlich sind 238 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei als „Cop4U“ an den Schulen im Einsatz. Zur Gewaltprävention bieten Schule und Polizei zahlreiche Unterrichts- und Bildungsangebote an, zum Beispiel polizeilichen Präventionsunterricht, soziales Kompetenztraining, Qualifizierungsangebote wie „Cool in School“ und „Koole Kerle – lässige Ladies“ oder Mobbing-Prävention.
Behörde für Schule und Berufsbildung
Peter Albrecht, Pressesprecher
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