BGH-Entscheidung zur Abschiebehaft

(PP-Justiz) Inhaftnahme von Ausländern zwecks Überstellung im Dublin-Verfahren in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz rechtswidrig

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 26. Juni 2014 festgestellt (V ZB 31/14, veröffentlicht am 23. Juli 2014), dass die Inhaftnahme von Ausländern zwecks Überstellung im Dublin-Verfahren in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz rechtswidrig ist. Der Rechtsbeschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, war illegal nach Deutschland eingereist, nachdem er zuvor in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Das Amtsgericht hatte gegen ihn Haft angeordnet, um seine Überstellung nach Ungarn zu sichern. Der Betroffene wurde nach Aufhebung der Haftanordnung durch das Landgericht am 4. Februar 2014 aus der Haft entlassen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs schafft Rechtsklarheit in einer bislang auch von den für die Haftanordnung zuständigen Gerichten unterschiedlich beurteilten Rechtsfrage.

Die Rechtslage hat sich mit der neugefassten Dublin III-Verordnung, die ab dem 1. Januar 2014 gilt, wesentlich geändert. Nunmehr sieht das Recht der Europäischen Union selbst Vorschriften für die Inhaftnahme von Ausländern in Dublin-Verfahren vor. Wesentliche Voraussetzung ist das Vorliegen einer erheblichen Fluchtgefahr, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien der Mitgliedstaaten beruhen muss.

Das Bundesministerium des Innern hat bereits in seinem Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung eine Definition der Fluchtgefahr im Sinne der Dublin III-Verordnung vorgesehen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestärkt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Die geplante Regelung gibt dabei die in Rechtsprechung und Verwaltung geübte Praxis bei der Annahme einer Fluchtgefahr wieder. Eine Verschärfung der Rechtslage ist damit nicht verbunden. Die Regelung sorgt vielmehr für Rechtsklarheit und Transparenz und ändert nichts daran, dass Haft nur durch einen unabhängigen Richter unter engen Voraussetzungen angeordnet werden darf.

In Haftfällen, die von dem Beschluss des Bundesgerichtshofs betroffen sind, erfolgt die Aufhebung der Haftanordnung von Amts wegen durch die Haftgerichte. Das Bundesministerium des Innern hat seine nachgeordneten Behörden über den Beschluss des Bundesgerichtshofs informiert und auf eine Beendigung der Haft in den betroffenen Fällen hingewirkt. Die Länder sind entsprechend informiert worden.

Die Inhaftnahme von Ausländern zwecks Überstellung im Dublin-Verfahren in einen anderen Mitgliedstaat ist nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs im Übrigen weiterhin rechtlich zulässig. Dies gilt beispielsweise beim Wechsel des Aufenthaltsorts ohne Angabe einer Anschrift, unter der der Ausländer erreichbar ist, oder bei einem vom Ausländer zu vertretende Nichtantreffen an dem von der Behörde angegebenen Ort an dem für die Überstellung angekündigten Termin (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 Aufenthaltsgesetz).

Quelle: bmi.bund.de